top of page

»Es werde Licht« – Eine künstlerische Auseinandersetzung mit Scham und Schuld

Scham hatte Gewalt über mich. Sie prügelte mich in die Bedeutungslosigkeit. Sie hat sie noch. Macht. Immer wieder. Und doch. Sie wird endlich lichter. Sie bricht auf. Ich breche aus ihr heraus. Erkenne endlich mich unter all dem Fremden, Falschen, Schiefen, Fassaden. Es wird lichter. Es wird Licht. Ich werfe Licht. Darauf. Auf mich. Auf sie. Auf es.


Meine aktuelle Arbeit »Es werde Licht« setzt sich erneut mit Scham auseinander, ich kann es nicht lassen, so lange sie in mir und in unserer Gesellschaft wütet – nicht nur als persönliches Gefühl, sondern als systemische, epigenetische Repression, die tief in patriarchalen Strukturen und christlichen Dogmen verankert ist. Scham wird in dieser Arbeit als eine inszenierte »Urschuld« offenbart, die das weibliche* Geschlecht in einer permanenten Spirale der Abwertung und Ohnmacht hält. Sie verlangt ständige Sühne und zwingt Frauen*, im Schatten zu existieren. Dieser Mechanismus nährt das patriarchale und kapitalistische System, das nicht nur Frauen*, sondern auch die Umwelt ausbeutet.


Im Zentrum meiner aktuellen Auseinandersetzung steht die Rolle des Christentums, das von Männern* interpretiert und institutionalisiert wurde. Die biblische Erzählung von Eva und dem Sündenfall, symbolisiert durch den Granatapfel, steht für die Urschuld der Frau*. In meiner Serie wird der Granatapfel zum Symbol der patriarchalen Konstruktion von Schuld, das ich in einem künstlerischen Akt dekonstruiere. Der Gegensatz dazu ist Maria – das Ideal der opferbereiten Frau*, die sich selbst verleugnet und ihr Leben der Sühne widmet. Diese beiden Frauenfiguren verstärken die Vorstellung einer angeborenen Schuld, die über Generationen hinweg auf Frauen* lastet.


Doch Scham ist nicht nur ein religiöses Phänomen. Im Kapitalismus hat das Patriarchat neue Wege gefunden, die Kontrolle über Frauen* aufrechtzuerhalten. Reproduktive Rechte werden eingeschränkt, und weibliche* Körper werden kommodifiziert. Werbung und Medien verstärken diese Mechanismen und reproduzieren patriarchale Bewertungssysteme, die Frauen* objektifizieren und isolieren. »Es werde Licht« beleuchtet und übersteigert diese destruktiven Mechanismen, um sie sichtbar zu machen und ihre Wirkung zu entkräften.


In meiner Arbeit wird Scham und Schuld als zutiefst persönliches und gesellschaftliches Problem erforscht. Ich öffne den Raum für radikale Ehrlichkeit und teile meinen eigenen Schmerz, um die Dimension dieser Gefühle verständlich zu machen. In einer intimen Phänomenologie setze ich mich mit jeder Facette der Scham auseinander und seziere sie, um ein tieferes Verständnis zu schaffen. Der schmerzvolle Prozess des Herauswindens aus der Scham und das Abstreifen des Schuldgefühls sind zentrale Themen meiner Arbeit, und der Weg zur Emanzipation bleibt herausfordernd. Ob die Scham überwunden werden kann, bleibt eine offene Frage.


Die Serie ist nicht nur eine persönliche Auseinandersetzung – sie stellt den inneren Kampf ins Außen. »Es werde Licht« bricht das Verborgene auf, zwingt das Beschämte ins Licht und lässt es aus den Schatten hervortreten. Das zentrale Gestaltungselement, das Spiel mit Licht und Schatten, symbolisiert dabei die inneren Konflikte und die Metamorphose des Selbst. Diese Gegensätze – Schuld und Scham, Rückzug und Sichtbarkeit, Verdrängung und Enthüllung – durchziehen meine Arbeit und machen das Licht zu einem Symbol der Hoffnung auf Befreiung.


»Es werde Licht« ist ein Aufruf, die Fesseln der Scham zu sprengen und den Weg aus dem Schatten ins Licht zu finden. Es ist ein Prozess der Selbstbefreiung, der uns alle betrifft.



Zu sehen ist ein Gemälde (Acryl auf Leinwand): Auf einem tiefschwarzen Hintergrund zeichnet sich eine Frauengestalt ab. Mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten liegt ihr Gesicht im Schatten.
Scham ist ein Geist aus der Serie Es werde Licht von Jessika Dirks Bildende Künstlerin aus Hannover

 
 
 

Kommentare


bottom of page